AÜG Reform 2017: Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick

Vermeiden Sie Scheinselbstständigkeit!

Rechtslage zur Arbeitnehmerüberlassung

Weitreichende Konsequenzen für die Eventbranche: Neues Gesetz zur Zeitarbeit und Scheinselbstständigkeit

Gesetzesänderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes AÜG: Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes AÜG tritt am 1. April 2017 in Kraft und bringt gravierende Gesetzesänderungen mit sich, die auch für den temporären Personaleinsatz in der Eventbranche entscheidende Auswirkungen haben. Eine Zusammenfassung der künftigen Änderungen sowie der daraus resultierenden Konsequenzen hat ucm.agency CEO, Amin Guellil, für Sie aufbereitet.

Das Problem – Scheinselbstständigkeit am Beispiel von Promotern

Der bisherige klassische Anwendungsfall behandelt eine/n Promoter/in stets als Gewerbetreibenden/Selbstständigen, der auf Rechnung arbeitet. Viele (große) Unternehmen und Agenturen haben diesen Behandlungsgrundsatz noch als festen Bestandteil Ihrer Marketing- und Vertriebspraxis. Leider ist in den meisten Fällen diese Selbstständigkeit aus rechtlicher Sicht aber nicht gegeben, es handelt sich um Scheinselbständigkeit, definiert in § 1 SchwarzArbG.

Diese Handhabung hält sich aus verschiedenen Gründen sehr hartnäckig. Zum Einen sind Arbeitnehmer aus rechtlicher Sicht mit mehr finanziellen Unsicherheiten verbunden, denn es müssen viele rechtliche Grundlagen wie Kündigsschutz, Befristung, Krankheit, usw. beachtet werden. Zusätzlich sind die unmittelbaren Einsparungen an Sozialbeiträgen bei Scheinselbstständigen nicht unerheblich. Diese Ersparnisse sind im Nachhinein aber dann in der Regel als doppelte Kosten wieder draufzuschlagen, wenn umfangreiche Nachzahlungen an die Sozialversicherung getätigt werden müssen. Des Weiteren ist der bürokratische Aufwand für die Abrechnung von Mitarbeitern nicht zu unterschätzen. Alle Punkte münden in vermeintlicher Kostenreduktion.

Vermittlungsagenturen und Jobportale leben vor allem von der bürokratischen Vereinfachung und halten daher an dieser veralteten Praxis fest. Da sich das Risiko fast ausschließlich auf die Kunden überträgt, haben viele Agenturen kein Interesse daran etwas an den Anstellungsverhältnisse der Mitarbeiter zu ändern. Sind die Voraussetzungen für eine Selbstständigkeit nicht gegeben, wird es für die Auftraggeber sehr teuer.

Die Kriterien – wann Promoter oder Eventhelfer tatsächlich selbstständig sind

Der Hauptgrund, dass Promoter als Selbstständige eingeordnet werden, liegt an der falschen Annahme, dass ein Gewerbeschein und wechselnde Auftraggebern als Voraussetzung für die Selbstständkeit ausreichen. Dabei sind wesentlich mehr Kriterien zu beachten. Ein/e selbstständige/r Promoter muss:

  • unternehmerisches Risiko tragen
  • unternehmerische Entscheidungsfreiheit tragen (=weisungsungebunden sein)
  • eigenständig Kunden akquirieren
  • eigene Preiskonditionen haben
  • eigene Arbeitsgeräte verwenden (Kleidung, iPad etc.)

Das bedeutet, dass ein/e selbstständige/r Promoter/in neben freier Zeiteinteilung auch eine freie Arbeitsortwahl haben muss. Er darf keine lohnähnliche erfolgsunabhängige Vergütung erhalten und keine kostenlosen Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt bekommen. Ist einer dieser Punkte nicht erfüllt, liegt bereits eine Scheinselbstständigkeit vor. Als gutes Beispiel illustriert ein Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln aus dem Jahre 2004 diese Einordnung (5 Ta 187/04 – Stichwort Tourenplanung, Arbeitsgerät, Weisungsgebundenheit, usw.). Anders werden freie Berufe (Künstler etc.) behandelt, zu denen Promoter/innen allerdings nicht gehören.

Als Merksatz gilt:

Wenn ein/e Promoter/in Anweisungen bezüglich Ort des EinsatzesZeitraum, bzw. Zeitpunkt des Arbeitseinsatzes, oder der Art der Durchführung der Promotion bekommt, ist er nicht selbstständig. Ein einzelnes erfülltes Kriterium, bspw. das Tragen gebrannter Kleidung, reicht aus. Auch ein erfolgsunabhängiges Grundgehalt ist nicht mit einer selbstständigen Tätigkeit zu vereinbaren.

Die Folgen – Das Personal wird rückwirkend als Arbeitnehmer behandelt

Was passiert also, wenn ein/e Promoter/in tatsächlich hätte angestellt werden müssen? Diese Situation betrifft zwei Fronten: Die Promoter und die Behörden. Die erste Gruppe war für viele Unternehmen bisher etwas weniger problematisch, da sich nur wenige Promoter die Mühe machten, juristisch vorzugehen und damit Probleme zu verursachen – bis jetzt. Promoter haben die Möglichkeit, Forderungen beim Kunden einzuklagen, wenn die vermittelnde Agentur nicht zahlt, außerdem könnte es Einklagen in eine Festanstellung geben. Gegebenenfalls würden Zusatzansprüche wie Mindestlohn, Krankheitsfortzahlung, Auftragsausfallvergütung usw., auf die ein/e Angestellte/r Anspruch hätte, fällig werden. Die noch größere Problematik liegt jedoch in behördlichen Ansprüchen und Forderungen. Das Umdenken zum Thema Selbstständigkeit hat in den letzten zwei Jahren mit der Einführung des Mindestlohns stark zugenommen, da Unternehmen im Rahmen der Betriebs- und/oder Zollprüfung z.T. hohe Nachzahlungen leisten müssen – je nach Umfang der Personaleinsätze. Zusätzlich zu den ursprünglich für Arbeitnehmer fälligen Beiträgen fallen die Arbeitnehmeranteile an, je nach Einschätzung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen 4 bis 10 Jahren rückwirkend, also bis zu 50% Nachzahlung der Promotervergütung. Durch den Mindestlohn wird das Ganze zusätzlich ein Fokusthema beim Zoll, da die Zuständigkeit der Kontrollen um einen weiteren Prüfbestand erweitert wird. Dabei sind bei Angestellten neben der Arbeitszeitdokumentation auch die Einhaltung des Mindeststundensatzes von 8,84 Euro zu beachten. Mit Vorsicht ist hier die Grenze zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat zu beachten. Die drohenden Strafen von bis zu 500.000 Euro und der Eintragung ins Gewerbezentralregister sind auf Grund der Aktualität des Themas bereits in aller Munde, bzw. in vielen Medien nachzulesen. Ein wichtiger Punkt ist hier zusätzlich die Geschäftsführerhaftung bei Vorsatzannahme.

Fazit:

Das Thema ist keinesfalls trivial und nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Das Arbeitsrecht und das Sozialversicherungsrecht gehören aus gutem Grund zu den unbeliebtesten und heikelsten Rechtsgebieten für in Deutschland agierende Unternehmen.

Die Alternativen – Arbeitsbedingungen anpassen oder Anstellungsverhältnis

Es gibt immer die Möglichkeit, einen Promotionauftrag so auszugestalten, dass er den Regelungen entspricht und damit als selbstständige Tätigkeit behandelt werden darf. Die Hürden hierbei sind zahlreich, aber nicht unüberwindbar. Wichtigster Punkt ist mit Sicherheit die ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung (also nicht Arbeitszeit) und die Eigenverantwortung in der Ausübung von Promotionsaufträgen (Ort, Zeit, Umfang, usw.).

Nächste naheliegende Alternative wäre der Einsatz von Agenturpersonal über Dienstverträge. Hier läuft zwar arbeitsrechtlich auf Kundenseite alles unproblematisch, jedoch darf auf keinen Fall die Weisung durch den Kundenbetrieb übernommen werden. Das heißt Auftrag, Briefing, Betreuung etc. können nur von der Agentur vorgenommen werden. Auch gebrandete Kleidung des Kundenunternehmens ist nicht möglich. Andernfalls liegt verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor (gemäß AÜG), welche ebenfalls je nach Fall als Ordnungswidrigkeit oder Straftat mit hohen Strafen geahndet werden kann. Die Überlassung ist erlaubnispflichtig und mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden, weswegen auch hier viele Agenturen den einfachen – wenn auch illegalen – Weg vorziehen.

Die sicherste und oft einzig richtige Möglichkeit besteht in der:

a) offiziellen Überlassung von anderen Agenturen

b) eigenen Anstellung und Abrechnung (aufwendig).

Je nach Volumen und Anforderung empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einer oder mehreren Agenturen klar gegenüber der eigenen Anstellung, da hier arbeitsvertragliches, Abrechnung und Rekrutierung auf Grund mangelnder Spezialisierung fast immer teurer ist. Wie bereits weiter oben beschrieben, arbeiten viele Agenturen jedoch nicht gesetzeskonform. Glücklicherweise reichen drei einfache Prüfindikatoren, um sicherzugehen, dass man rechtlich sorgenfrei bleibt:

1. Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung bei der Agentur

2. Überlassungsvertrag für jeden Auftrag (oder Rahmenvertrag)

3. Damit verbunden die Versicherung der Arbeitnehmerbezahlung nach Tarif (d.h. inkl. Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge)

Verkaufs-/Vermittlungsprämien und Ähnliches können einzelvertraglich nach wie vor vereinbart werden, sind aber als variabler Lohnbestandteil zu verstehen und abrechnungstechnisch dementsprechend zu behandeln.

Das Neue – Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung und was es bedeutet

Zum 1. April 2017 tritt das veränderte AÜG in Kraft, welches erstmalig im November 2015 als Referentenentwurf vorlag. Es bringt einige Änderungen mit sich, die vor allem die klassische Zeitarbeitsbranchen, also Industrie und Pflege, betreffen. Anpassungen in der Höchstüberlassungsdauer sowie Fingierung von Arbeitsverhältnissen bei unrechtmäßiger oder nicht gesetzeskonformer Überlassung sind hier zwei der zentralen Themen.

Die große Relevanz für Unternehmen im MICE-Sektor findet sich aber an ganz anderer Stelle wieder. Bisher galt beim Einsatz von Fremdpersonal der Grundsatz der Fallschirmlösung. Diese führt bei einer verdeckten Überlassung (also ohne Überlassungsvertrag bzw. ein Personaleinsatz, der nach Rechtseinschätzung eine Überlassung hätte sein müssen) zu einem sprichwörtlichen Fallschirm. Es wird angenommen, dass auf Grund der Art des Einsatzes eine Überlassung von dem abrechnenden zum einsetzenden Unternehmen „beabsichtigt gewesen sein muss“. Folglich haftet die Firma, welche Personen/ bzw. Personal zur Verfügung stellt für die korrekte Abwicklung der Überlassung, inkl. Anstellung und Abgabenhaftung. Einzige Ausnahme findet sich durch eine klare Abgrenzung als Vermittlung wieder. Diese liegt dann vor, wenn die vermittelnde Agentur lediglich Kandidaten für eine Provision zur Verfügung stellt. Diese müssen dann vom einsetzenden Unternehmen abgerechnet und angestellt werden. Auch die Haftung liegt dann beim einsetzenden Unternehmen.

Ebendiese Fallschirmlösung wird mit der Gesetzesänderung abgeschafft – Meiner Ansicht nach einer der für die MICE-Branche mit Abstand relevantesten Faktoren. Nicht selten läuft der Personalposten über mehrere Parteien bis zum tatsächlichen Einsatz – ein Umstand, der nun der Vergangenheit angehören dürfte. In Zukunft haftet nämlich zuvorderst die einsetzende Firma– konkret also: der Weisungsausübende – für sämtliche Abgaben und arbeits- wie sozialversicherungsrechtlichen Belange in Verbindung mit dem eingesetzten Personal, wenn keine rechtskonforme, vertraglich vereinbarte Arbeitnehmerüberlassung mit einer Zeitarbeitsfirma vorliegt. Natürlich werden auch Unternehmen und Agenturen durch Ordnungsgelder und Strafen sanktioniert, wenn diese mutwillig verdeckt überlassen. Der Gesetzgeber will jedoch scheinbar vor allem künftig erzwingen, dass die dienstleistungsbeziehenden Unternehmen mit in die Verantwortung genommen werden.

Disclaimer

Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die hier enthaltenen Aussagen dienen zur Information.